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May December

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May December Kritik

May December Kritik

May December Kritik
0 Kommentare - 23.06.2024 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "May December" ist.
May December

Bewertung: 2.5 / 5

Für Gracie Atherton-Yu (Julianne Moore) und ihr Ehemann Joe (Charles Melton) stehen wichtige Zeiten bevor. Ihre Zwillinge machen ihren Highschoolabschluss und bereiten sich darauf vor, in den Sommerferien in ein Studentenwohnheim zu ziehen. Die beiden unterschiedlich alten Eheleute lernten sich vor zwanzig Jahren kennen und damals sorgte Gracies Beziehung mit dem zu dem Zeitpunkt dreizehn Jahre alten Joe für riesige Schlagzeilen. Grund für Hollywood, einen Film aus diesem Leben zu stricken. Dazu besucht die berühmte Schauspielerin Elizabeth Berry (Natalie Portman) die Familie. Sie soll Gracie verkörpern und will sie daher kennenlernen, um ihre Rolle besser zu verstehen.

Stellen wir uns vor, wir sind in einem recht verletzlichem Alter und merken es vielleicht nicht einmal. In der Adoleszenz passiert ziemlich viel im eigenen Körper, wer hätte es gedacht. Und gerade das Gehirn ist da noch voll in einer startenden und langsam eskalierenden Entwicklungsphase. Wir sind anfälliger, reizbarer, euphorischer, sexuell lustiger unterwegs und viele Dinge wirken entweder in ein oder ein anderes Extrem. In solch einer Phase sollte jeder seinen eigenen Weg gehen und wie man die Pubertät unbeschadet überlebt, das bleibt wohl ein großes Geheimnis. Nun erinnern sich diejenigen, die eine deutsche Oberstufe besucht haben, sicherlich auch an die Aufarbeitung der Verbrechen des Zweiten Weltkriegs. Sofern sie denn jemals Geschichte oder Politik hatten. Und sie erinnern sich sicherlich auch daran, daß jene Geschichte gerade im Deutschunterricht mal durch das ein oder andere Buch aufgearbeitet und analytisch betrachtet wurde. In diesen Momenten kramen die Oberstudienräte dann gerne die Werke Harold und Maude (1971) oder Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser hervor. Es sind Werke, die sich quasi diametral zueinander mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen und die beiden eine recht ungewöhnliche Liebesbeziehung im Mittelpunkt haben. Ältere Frau trifft auf sich entwickelnden Jugendlichen. Und selbst wenn man May December inhaltlich wohl nicht mit beiden Werken vergleichen kann, so ist die Grundkonstellation de gleiche.

Nun ist das also auch inmitten der 2020er Jahre scheinbar immer noch skandalträchtig, wenn zwei Menschen in unterschiedlichen Entwicklungsphasen zueinanderfinden. Und ja, das große Fass macht der Film schon damit auf, weil es hier eindeutig um eine emotional, wie sexuell missbräuchliche Beziehung zwischen einer älteren Frau und einem – inzwischen – jungen Mann geht. Der große Skandal ging durch die Schlagzeilen und je mehr man sich versucht dem anzunähern, desto mehr merkt man eigentlich, wie unangenehm diese Konstellation eigentlich ist. Es ist schon von vorneherein ein großes Problem, daß man nur schwer Zugang zu den Figuren und zu dieser Lebenseinstellung in Form einer verwerflichen Beziehung findet. Natürlich ist das irgendwo auch von Regisseur Todd Haynes gewollt, der den Zuschauer eine Zeitlang in Geiselhaft hält, weil er ihm erstmal eine eher unkonventionelle, aber durchaus funktionierende Beziehung darstellt. Dann geht es also weiter, Figuren erklären sich, Hintergründe werden durchleuchtet und das Thema, daß die amerikanische Gesellschaft inmitten der 2000er Jahre schockierte, soll nun filmisch aufbereitet werden. Ab diesem Zeitpunkt und um die Figur Elizabeth Berry wird May December Meta. Denn hier geht es im Prinzip um die Entwicklung eines Films im Film. Dabei keimt immer wieder die Frage auf, wie Berry Zugang zu der Triebtäterin Gracie Atherton-Yoo findet und damit geht diese Frage natürlich auch unweigerlich an den Zuschauer über.

Im Prinzip ist das Geschmacksache und ja, es ist richtig, daß man keine moralisch integren Figuren braucht, um einem Antihelden folgen zu wollen. Das gesamte Mafia-Kino Hollywood befasst sich ja auch damit. Doch vielleicht sind die persönlichen Schmerzgrenzen bei Pädophilie deutlich vulnerabler. May December leidet zudem darunter, daß hier anhand der Prämisse und der generellen Idee ein Skandal konstruiert werden soll. Seht! Wie können wir es wagen gut und böse nicht von vorneherein klar aus zu definieren? Nun, Cogito ergo sum und damit ist vermutlich fast alles gesagt. Ja, immer weiter taucht diese Schauspielerin in ihre Figur ab. Begeht dieselben Fehler und dieselben Gräueltaten im Sinne der Kunst. Immer wieder geht es hier um eine viel zu wenig beachtete Form des Missbrauches an einem Jungen und später an einem jungen Mann. Auch das scheint inmitten der MeToo-Debatte immer so ein wenig unterzugehen. Zumal sexueller Missbrauch auch gesellschaftlich eher mit klaren Opfer-und-Täter-Rollen konnotiert ist. Insofern muss man den Machern hier auch einen gewissen Tribut zollen, daß sie sich gerade einen Fall herausgesucht haben, der nicht unbedingt dem gängigen Klischee entspricht. Die grundlegende Frage, die Hayes hier beantwortet wissen möchte ist, wie man damit umgeht. Wie man Dinge, die falsch sind bewertet und wie man diese Menschen konfrontiert. Denn der Aufstand dahinter war ja eben richtig, doch er hat die Figuren nicht dazu gebracht, daß sie sich ändern oder daß sie daraus lernen.

Es ist ja im Falle von Missbrauch auch keine Seltenheit, daß sich Opfer mal in ihre Täter verlieben und insofern trifft May December da auch einen sehr realen Ton. Dazu ist das gesamte Werk grandios gespielt. Nuanciert und unauffällig, spielen sich Moore und Portman die Seele aus dem Leib. Problematisch ist aber, daß der Film in vielerlei Hinsicht dennoch einfach langweilig wird. Es ist langweilig dem zuzusehen, weil man je nachdem, wie gefestigt die eigene Haltung zu dem Thema ist, nichts mitnehmen kann. Man fühlt sich sogar recht überlegen und denkt dann an all diese Missbrauchsfälle innerhalb irgendwelcher Institutionen, zu denen es eigentlich nur eine Haltung geben kann. Hayes will dahin, doch eigentlich ist man doch schon da.

Langsam schleichend entwickelt sich May December zu einem gestörten Psychogramm kaputter Seelen. Das ist richtig und authentisch, aber ebenso recht erwartbar und je nachdem, wie man ohnehin gestrickt ist, auch etwas anstrengend. Der Film ist toll gespielt, aber eben nicht so ambivalent, wie er einen zunächst glauben machen möchte. Und das muss er auch nicht sein, nur gut sollte er dann schon sein.

May December Bewertung
Bewertung des Films
510

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